Urolithiasis
Harnsteine bei Katzen
Wodurch entstehen Harngrieß und Harnsteine?
Harnsteine bestehen meist aus Mineralien, die sich zuerst zu mikroskopisch kleinen Kristallen zusammenlagern. Mit der Zeit werden sie größer und es entsteht entweder sandartiger Harngrieß oder ein größerer Harnstein (Urolith).
Damit Harnkristalle wachsen können, müssen im Harn viele Mineralstoffe vorhanden sein. Deshalb sind Katzen besonders gefährdet. Als Nachfahren von Wüstenbewohnern trinken sie wenig und produzieren nur kleine Mengen eines stark konzentrierten Harns. Begünstigt wird das Harnsteinwachstum auch durch:
- häufige Harnwegsentzündungen — bei Katzen auch als FLUTD (feline lower urinary tract disease) bekannt,
- unausgewogene Futtermittel,
- Übergewicht und
- Bewegungsmangel.
Welches sind die häufigsten Harnsteine bei Katzen?
Es gibt verschiedene Harnsteinarten, die sich in ihrer chemischen Zusammensetzung unterscheiden. Struvitsteine sind noch immer die häufigsten Harnsteine bei Katzen, auch wenn inzwischen immer häufiger Kalziumoxalatsteine auftreten. Manchmal findet man sogar gemischte Steine aus Struvit und Kalziumoxalat bei einem Tier gleichzeitig.
Beim Hund und seltener bei der Katze können Harnsteine auch aus Abbauprodukten des Stoffwechsels bestehen. Etwa aus Zellkernbestandteilen (Purinen, Urat, Xanthin) oder dem Eiweißbaustein Cystin (Zystin).
Wodurch entstehen Struvit-Harnsteine?
Struvite bestehen aus Ammonium-Magnesium-Phosphat-Kristallen. Ist das Futter reich an Magnesium und Phosphat, besteht deshalb ein erhöhtes Risiko der Struvitsteinbildung. Verbinden sich diese Kristalle mit Eiweißen aus dem Urin, bilden sich größere Pfropfen, die manchmal auch die Harnwege verstopfen können.
Struvitsteine entstehen vor allem dann, wenn der Urin einen zu hohen (basischen) pH-Wert hat, zum Beispiel durch Blasenentzündungen oder ungünstige Fütterung.
Wodurch entstehen Kalziumoxalat-Harnsteine?
Kalziumoxalatsteine sind die zweithäufigsten Harnsteine bei Hunden und Katzen. Ihre Entstehung wird vor allem durch die Futterzusammensetzung und die Trinkmenge beeinflusst. Die genauen Entstehungsmechanismen sind aber noch nicht restlos aufgeklärt.
Erkrankungen durch Kalziumoxalatsteine haben in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen. Burma-, Perser- und Himalajakatzen scheinen ein höheres Risiko zu haben.
Was bedeutet FLUTD?
FLUTD ist die Abkürzung für "Feline Lower Urinary Tract Disease", was übersetzt "Erkrankung der unteren Harnwege der Katze" bedeutet. Eine veraltete, aber noch weit verbreitete Bezeichnung ist Felines Urologisches Syndrom (FUS).
Unter FLUTD werden verschiedene Erkrankungen zusammengefasst, die zu einer Reizung der Blase oder der Harnröhre führen. Häufig ist die Ursache der Blasenentzündung nicht festzustellen. Dann spricht man von einer idiopathischen Zystitis.
Der Zusammenhang zwischen FLUTD und Harnsteinbildung ist ein wenig wie bei "Henne und Ei": Harnsteine sind eine häufige Ursache der FLUTD, denn sie reizen die Schleimhäute des Harntrakts, wodurch eine Entzündung entsteht. Umgekehrt kann aber eine Blasenentzündung bei FLUTD durch pH-Wert-Änderungen und Eiweißüberschuss im Urin wiederum die Harnsteinentstehung fördern.
Welche Anzeichen deuten auf Harnsteine hin?
Harnsteine und Harngrieß können lange in der Blase bleiben, ohne erkennbare Probleme zu verursachen. Manchmal wird eine Harnsteinerkrankung (Urolithiasis) eher zufällig entdeckt. Reizen Harnsteine jedoch die Blasenschleimhaut zu sehr, äußert sich das wie eine Blasenentzündung:
- Ihre Katze muss häufig kleine Mengen Urin lassen und zeigt dabei vielleicht durch Miauen, dass sie Schmerzen hat (Strangurie).
- Manche Katzen können ihren Urin nicht mehr halten (Inkontinenz).
- Eventuell können Sie sehen, dass der Urin blutig ist (Hämaturie).
- Harnsteine können auch in der Niere sitzen und dann zu scheinbaren Rückenschmerzen führen.
- Verstopfen Harnsteine die Harnröhre, kann kein Urin mehr abgesetzt werden. Der Bauch ist dann dick und schmerzhaft. Betroffene Katzen sind schlapp und fressen nicht mehr (siehe Welche Komplikationen können Harnsteine verursachen?).
Eine Verlegung der Harnröhre durch Harnsteine ist ein lebensbedrohlicher Notfall!
Was untersucht der Tierarzt bei Verdacht auf Harnsteine?
Der Tierarzt untersucht Ihre Katze zunächst einmal ganz allgemein, um festzustellen, wie stark sie durch die Erkrankung beeinträchtigt ist (ob sie z.B. Fieber hat) und um keine Zeichen für weitere Krankheiten zu verpassen.
Den Urin untersucht er mithilfe von Teststreifen auf Anzeichen für eine Entzündung (wie Blut oder Entzündungszellen) und bestimmt den pH-Wert sowie das spezifische Gewicht als Maß für die Konzentration des Urins. Unter dem Mikroskop kann er Kristalle im Urin erkennen und oft anhand ihrer charakteristischen Form schon vermuten, um welche Art Kristall es sich handelt. Einen nähere Bestimmung der Kristalle kann in einem spezialisierten Labor erfolgen. Bei Anzeichen für eine Infektion wird mithilfe einer bakteriologischen Untersuchung bestimmt, welche Keime im Harn vorhanden sind.
Nicht alle Harnsteine sind ohne weiteres im Röntgenbild erkennbar. Manchmal muss über eine Kontrastmitteluntersuchung bestimmt werden, wo die Harnsteine sitzen. Auch eine Ultraschalluntersuchung kann Harnsteine und Entzündungsanzeichen nachweisen.
Mithilfe einer Blutuntersuchung können z.B. eine mögliche Harnvergiftung (Urämie), Anzeichen für eine akute Entzündung oder Störungen der Nierenfunktion ausgeschlossen werden.
Wie werden Harnsteinerkrankungen behandelt?
Harnsteine müssen häufig mithilfe einer Operation entfernt werden. Wenn sie in der Blase sitzen, ist dieser Eingriff relativ leicht durchzuführen. Entfernte Harnsteine sollten zur genauen Analyse ihrer Zusammensetzung in ein Labor geschickt werden.
Handelt es sich um Struvitsteine, können diese in der Regel aufgelöst werden, indem man den Urin ansäuert. Das dauert (je nach Größe der Steine) mehrere Wochen und kann entweder über ein spezielles Diätfutter oder mithilfe harnansäuernder Ergänzungsfutter geschehen. Handelt es sich um große Steine oder verursachen sie akute Probleme, dauert das Auflösen jedoch zu lange und eine Operation ist die bessere Wahl.
Wichtig ist, dass harnansäuernde Medikamente oder Ergänzungsfutter nur bis zur Auflösung der Harnsteine (nicht lebenslang) und nicht gleichzeitig mit einem harnansäuernden Diätfutter gegeben werden sollten!
Die wichtigste Maßnahme, um ein Wiederauftreten (Rezidiv) von Harnsteinen zu verhindern, ist die dauerhafte Fütterung eines speziellen Diätfutters (siehe Was bewirken Diätfutter gegen Harnsteine?). Außerdem sollten betroffene Tiere viel trinken und häufig Harn absetzen. Dadurch wird der Harn verdünnt und die Harnwege werden besser durchgespült, sodass sich weniger neue Kristalle bilden können.
Welche Komplikationen können Harnsteine verursachen?
Manchmal werden Harnsteine aus der Blase in die Harnröhre geschwemmt. Vor allem bei männlichen Tieren besteht dann das Risiko, dass die Harnröhre verstopft und kein Urin mehr abgesetzt werden kann. Diese Komplikation ist lebensbedrohlich, denn die Abfallstoffe, die normalerweise mit dem Urin ausgeschieden werden, führen zu einer Harnvergiftung (Urämie). Außerdem staut sich der Urin in der Blase, die in sehr seltenen Fällen sogar reißen kann. Der Druck des angestauten Urins kann zudem das Nierengewebe schädigen (siehe auch "Verstopfte Harnröhre beim Kater").
Ihr Tierarzt wird in einem solchen Notfall sofort versuchen, die Blockade der Harnröhre durch die Harnsteine zu beseitigen. Häufig kann er unter Narkose mithilfe eines Urinkatheters die Harnsteine in die Blase zurückspülen. Manchmal müssen sie per Operation aus der Harnröhre entfernt und/oder ein künstlicher Ausgang geschaffen werden. Ein künstlicher Ausgang bedeutet übrigens nicht, dass die Katzen inkontinent werden!
Was bewirken Diätfutter gegen Harnsteine?
Diätfutter für Tiere mit Harnsteinen sollen vor allem die Menge an Mineral- oder Eiweißstoffen im Harn verringern, aus denen sich Harnsteine bilden können. So enthalten Futter gegen Struvit- und Kalziumoxalatsteine z.B. in der Regel etwas geringere Mengen an Magnesium, Phosphor, Kalzium und Oxalaten sowie etwas weniger, aber dafür sehr hochwertiges Eiweiß.
Diätfutter, die Sie beim Tierarzt erhalten, sind Alleinfuttermittel. Das heißt, sie sind so zusammengesetzt, dass sie auch bei lebenslanger Fütterung nicht zu Mangelernährung führen.
Diätfutter gegen Harnsteine sollen außerdem die Harnmenge erhöhen, sodass die Harnwege besser durchgespült und kleine Harnkristalle mit ausgeschwemmt werden. Oft enthalten Harnsteindiäten auch entzündungshemmende Stoffe, um Harnwegsentzündungen vorzubeugen und Nährstoffe zur Stärkung der Blasenschleimhaut.
Was können Sie selbst tun, um Ihrem Tier zu helfen?
- Füttern Sie ausschließlich eine Harnsteindiät, die gegen die Art Harnsteine wirkt, die bei Ihrem Tier festgestellt wurden. Verwenden Sie das Diätfutter auch als Leckerli, denn andere Leckereien können den Behandlungserfolg gefährden.
- Bleiben Sie standhaft, wenn die Ernährungsumstellung Probleme bereitet. Probieren Sie verschiedene Geschmacksrichtungen und Futterarten aus (siehe Wie Sie Ihrer Katze neues Katzenfutter schmackhaft machen können).
- Es ist besser, häufig kleine Portionen Diätfutter zu geben als einmal eine große. Nach üppigen Mahlzeiten verändert sich das Urinmilieu, sodass das Harnsteinrisiko steigt.
- Achten Sie darauf, dass Ihr Tier immer frisches Wasser zur Verfügung hat — möglichst an mehreren Plätzen in der Wohnung. Katzen trinken von Natur aus wenig, können aber mit verschiedenen Tricks dazu bewegt werden, mehr Wasser aufzunehmen (siehe Tipps zur Steigerung der Trinkmenge).
- Geben Sie Ihrem Tier häufig Gelegenheit, Harn abzusetzen. Katzen sollten mehrere Katzentoiletten an ruhigen Orten zur Verfügung haben. Halten Sie diese Toiletten so sauber, wie es nur geht.
- Lassen Sie den Erfolg Ihrer Bemühungen durch regelmäßige Urinuntersuchungen tierärztlich kontrollieren.
- Sie können den Urin-pH Ihrer Katze auch leicht selbst mit Indikatorpapier (aus Ihrer Tierarztpraxis oder aus der Apotheke) messen, um den Erfolg der Therapie zu kontrollieren. Am besten messen Sie, wenn Ihre Katze nüchtern ist, da ein leichter pH-Wert-Anstieg nach der Fütterung normal ist. Liegt der pH-Wert über dem gewünschten Bereich von ca. 6,2 ist die Ursache oft eine Blasenentzündung, die behandelt werden sollte, oder die Katze hat Zugang zu anderen Futtermitteln, die die Wirkung der Harnsteindiät stören.
Dr. Hölter und sein Team wünschen Gute Besserung!